Teil 4: Bucuresti

 

 

 

Der Augenblick

ist mein

 

[Andreas Gryphius]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

Der Saft eines Pfirsichs aus der Kindheit.

 

 

 

 

 

Wo du selbst dich      nicht tragend verhieltst

 

 

 

 

 

 

Ein Leben wollen, in dem          Liebe das Wichtigere ist. In jedem Moment.

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerung an Nacht-Zugfahrt, daran, keinen Platz im Schlafabteil gebucht zu haben. Sitzen zu bleiben, eine Nacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerung an Zugfahrt als 19-jähriger, bei der – im Süden Südeuropas – die eignen Beine am Ende des fahrenden Zugs nach draußen baumelten. Berauscht von Fahrtwind. Scharf geschnitten das Bewusstsein von totaler Übermüdung, weit überdehntem Aufmerksamseinmüssen. Eine noch junge biographische Katastrophe im Gepäck, die nicht mehr loszuwerden sein würde - - -

 

 

Bukarest.

Plötzlich angespannt-dezentriert durch volle Altstadt gehen, kamen dir uralte Gestalten entgegen.

 

 

 

 

 

 

Tiefe Melancholie im Geigenspiel eines alten Mannes in Alt-Stadt. Auf bunten Couches draußen bequem sitzen. Die ersten Momente solcher Ankunft zauberisch schön.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

Erster Stock eines alten Bukarest-Hauses. Wohlgefühl in einem der hohen Räume, von einem der ornamentverzierten Balkone auf die Altstadt mit ihren Jetzt-Menschen zu sehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie ein Mensch auch reagiert, es ist sein Leben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gottesdienst in einem Kloster.

Ja viele Gesichter, die sich entleeren, mit

ihrer göttlichen Energie anfüllen.

Einige: ebenso entrückt wie bei sich.

 

Wahre Demut. In sich herabgefahren zur Menschlichkeit. Viele hier.

Nahes Treiben auf kleinem Raum. Besonderes Licht in dem Gotteshaus. Neue innere Deutlichkeiten.

 

Hand auf dem Schrein eines Heiligen. Sein Bildnis darüber. Sonderbarer Blick im Bildnis. Man kennt ihn aus solchen Kontexten: wie auf einen Punkt konzentriert, doch gänzlich unangestrengt, im Leben anwesend, dabei allwissend, zutiefst besonnen.

»Im Tode wachen.» Diese Worte empfange ich im Moment innerster Konzentration. Hatte Charakter eines »Gerufenwerdens». Imagination, Fantasie, Unbewusstes, wer wüsste Genaueres! Ein größeres Paradox nicht denkbar: »Im Tode wachen.» Eine Existenz, der Heilige, sich ein Leben um die gesamte Menschheit, um alles Leben sorgte. Sorgt sich noch jetzt, im Tode. So macht es Sinn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

 

The Urbanist. Altstadt. Liegematten und Sitzkissen in Fenstern, in denen Jugendliche mit einem Getränk sitzen. Alles hinter meiner Stirn eingesunken, mein Blick in tiefsten Gründen ernst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

Im Kunstmuseum wieder ein ganz anderer

 

 

 

 

 

 

Erinnerung an eine wild aufspielende Geige auf einer zerkratzten Schallplatte.

 

 

 

 

 

 

 

Ein kleiner Junge, so dünne Beine, so dünner Körper, auf öffentlich nicht zugeschlossenem Klo. Blick-Begegnung.

 

 

 

    

 

 

 

  1. August 2018

 

 

Traum: Teilnehmer zu sein einer Messerstecherei. Am Ende beide erschöpft, kaum mehr zur Bewegung fähig, nebeneinander. Wird irgendwie das Messer in die Hand des andern gespielt.

 

In solchen Träumen entweder absolut isoliert oder getötet werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Augen-Schmerz. Leben ist  .  .  .  freie weiche Sphäre

zum andern hin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

 

 

Im Dunkel sitzen 

 

ohne Anforderungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

 

mit solchem Zuhilfekommen reagieren, als Freundin aufschreit. Dabei fühlen, was alles nicht mehr da wäre.

 

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerung: Nicht so aufmerksam, für Umgebung, nicht so wach wirkend, aber unsichtbar voll Konzentration. Nahm ich den Bogen, das Ziel ins Auge, schloss die Augen, öffnete sie scheinbar kaum, und traf genau in die Mitte.

 

 

 

 

 

 

 

Im Bus zu den Thermen, etwas außerhalb von Bukarest. Es stieg niemand aus, nur mancher zu. Bald so eng im Bus-Raum, dass Leiber stehend aneinander gepresst. So kam es dazu, dass sich zwei Körper an einer bestimmten Stelle zusammenschlossen. Ohne Blickkontakt. Etwas Raum auszuweichen hätte bestanden. Indessen wurde stetig die Kernberührung gesucht und wiederhergestellt. Es entstand eine Wärme zwischen unbekannt Mann und unbekannt Frau, die ins Innerste des Körpers unendlich sanft und wohltuend einfloss und sich dort ausbreitete. Nach vielen Minuten änderte sich das. Dann kam es noch einmal kurz dazu. Wie wohltuend es war, hatte ich in seiner ganzen Genauigkeit bereits vergessen gehabt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. August 2018

 

 

 

 

Traum nach nächtlichem Eingeschlafensein: Es war eine friedliche Stimmung, die auf nichts Schlimmes hindeutete. Es stand ein Bett für mich bereit in einer Art Scheune. Als ich dabei war einzuschlafen, im Traum, bewegte sich etwas vor mir, ich dachte noch, es könnte mein Bruder sein. Aber es war ein einzelner Fingerknöchel, wie von einem Skelett. Als ich versuchte, mich davon abzugrenzen, erschien an dem skelettartigen Finger eine Spraydose, die immer wieder in Richtung meines Gesichts betätigt wurde, um mich bewusstlos zu machen. Ich meinte zu ahnen, was geschehen würde, wenn ich bewusstlos würde. Nämlich auf eine bestialischste Weise umgebracht zu werden. Mich kaum mehr wehren könnend, bereits bewusstlos werdend, erwachte ich.

 

 

 

 

 

 

Im Zustand des Ringens – um dich. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nichts schöner als die Wärme, die vom andern ausgeht.

Gegenseitig heilende Wärme.